Bei einem Lawinenunfall gilt es, sich einen Überblick zu verschaffen, indem man mittels Erfassungspunkt und Verschwindepunkt möglichst schnell den primären Suchraum festlegt, im dem man die Suche startet.
Die Zeit drängt! Wenn eine schnelle Rettung möglich ist bzw. die Gruppe groß genug ist, um gleichzeitig mit der Suche zu beginnen: Notruf absetzen!
Signalsuche
Die Verschüttetensuche beginnt mit der Signalsuche. In dieser ersten Suchphase wird mit Auge, Ohr und LVS-Gerät der primäre Suchraum am Lawinenkegel abgesucht.
Gleich zu Beginn stellt der Retter sein Gerät auf SUCHEN und packt sofort Schaufel und Sonde aus, um sie später griffbereit zu haben. Dies macht insofern Sinn, da die LVS-Geräte eine gewisse Zeit brauchen, bis sie tatsächlich auf Empfang sind und man in der Feinsuche wertvolle Zeit spart.
Wohin?
Bin ich als Retter allein, muss die visuelle Oberflächensuche gleichzeitig mit der LVS-Suche erfolgen. Die Suchstreifenbreite ist dabei geräteabhängig und beträgt zwischen 20 und 50 m. Die Suchrichtung wird von der Position des Retters bestimmt und kann sowohl von unten nach oben, als auch von oben nach unten (dann meist mit Skiern) passieren.
Die Suchgeschwindigkeit sollte in der Phase der Signalsuche so hoch als möglich sein. Insbesondere deshalb muss man sich immer überlegen, wie man sich schnell auf der Lawine bewegen kann.
Fundgegenstände als Indikator
Fundgegenstände werden dabei an Ort und Stelle belassen und deutlich sichtbar aufgestellt. In unmittelbarer Nähe von Fundgegenständen ist die Chance, die verschüttete Person zu finden, besonders groß. Eine besonders aufmerksame Suche in diesem Bereich ist deshalb wichtig.
Ablauf in der Gruppe
Stehen mehrere Retter zur Verfügung, teilt man sich die Suche auf. Damit es eine effiziente Signalsuche geben kann, sollten bei kleineren Lawinen nur so viele Retter mit dem LVS-Gerät suchen, wie Verschüttete angenommen werden. Alle anderen Retter schalten ihr LVS-Gerät auf AUS (bzw. auf den bei manchen Geräten verfügbaren Rescue/Backup-Modus) und bereiten die eigenen Schaufeln und Sonden vor.
Da sich herausgestellt hat, dass Mobiltelefone, Funkgeräte oder Radios die Leistung der LVS-Geräte negativ beeinflussen, sollen die mit der LVS-Suche betrauten Retter alle zusätzlichen elektronischen Geräte ausschalten.
Um die Signalsuche effizient zu gestalten, halten wir das LVS-Gerät parallel zur Schneeoberfläche vor dem Körper. Die Augen bleiben dabei auf die Oberflächensuche fokussiert. Bei großen Lawinenkegeln und mehreren Rettern geht man in 20 m breiten Suchstreifen auf Signalsuche. Zur Organisation mehrerer Retter muss einer das Kommando übernehmen!
Achtung: Häufig wird die Oberflächensuche zu schlampig durchgeführt, weil man sich zu sehr auf das LVS-Gerät konzentriert! Hat man ein Erstsignal am eigenen LVS-Gerät, so ist dies deutlich mittels Ruf „Signal“ zu kommunizieren.
Stößt man schon in der ersten Suchphase auf teilverschüttete Personen, was häufig vorkommt, gräbt man sofort Kopf und Oberkörper soweit aus, dass ein ungestörtes Atmen des Verunfallten sichergestellt ist. Nur lebensbedrohliche Verletzungen sind natürlich sofort zu versorgen.
Die Signalsuche endet mit dem Auffinden des Opfers (wenn es an oder nahe der Oberfläche liegt) bzw. mit dem Erstempfang am LVS-Gerät.
Grobsuche
Als Grobsuche bezeichnet man die Suche vom Erstsignal bis in den Nahbereich von ca. 3 m des Verschütteten.
Dabei folgt man mittels LVS-Gerät den (über die Pfeile angezeigten) Feldlinien zuerst sehr rasch. Je näher man kommt, wird man im Sinne des „airport approach“ immer genauer und somit langsamer. Das heißt, die Suchgeschwindigkeit nimmt mit der Annäherung ab, während die Suchgenauigkeit steigt.
Diese von Manuel Genswein entwickelte Vorgehensweise ist mit einem Landeanflug vergleichbar: In weiter Entfernung bewegt sich ein Flugzeug sehr schnell zum ungefähren Zielpunkt; ist es dann in unmittelbarer Nähe, wird es langsamer, die Präzision jedoch höher, um schließlich punktgenau am Boden zu landen.
Auf die Lawinensituation umgesetzt bedeutet das: Ich folge der Anzeige meines LVS-Geräts sehr rasch bis zur Entfernungsanzeige „10“, was ich wieder lautstark kommuniziere. Danach verlangsame ich meine Geschwindigkeit etwas, um den Pfeilen genau folgen zu können und um dem Gerät genügend Zeit zu geben, die empfangenen Signale zu verarbeiten.
Spätestens bei der Anzeige „3“, die ich wiederum laut kommuniziere, gehe ich mit meinem LVS-Gerät direkt auf die Schneeoberfläche. Die laute Kommunikation „10“ und „3“ ist ein deutliches Signal an meine Kameraden, möglichst rasch mit Schaufeln und Sonden nachzurücken.
Feinsuche
Ab ca. 3 m Entfernungsanzeige beginnt man mit der Feinsuche. Da man mit den modernen LVS-Geräten eine relativ genaue Positionsbestimmung durchführen kann, reicht es, wenn man den Punkt der geringsten Entfernung zum Verschütteten durch einmaliges „Einkreuzen“ ermittelt.
Dabei wird das LVS-Gerät nicht mehr gedreht, sondern langsam und präzise über die Schneeoberfläche geführt. Die Feinsuche wird abgeschlossen, indem der Punkt mit der geringsten Entfernung durch Einstechen der Schaufel markiert wird.
Bei nur einem Verschütteten wird das eigene LVS-Gerät nun auf „Senden“ zurückgeschaltet und rasch am Körper versorgt. Gibt es mehrere Verschüttete, wird das eigene LVS-Gerät ausgeschaltet bzw., je nach Gerät, auf den „RESCUE/BACKUP-Modus“ geschaltet, um die Suche nach den anderen Opfern nicht zu behindern.
Bei der Feinsuche sollte man − da man direkt über dem Verschütteten steht − insgesamt behutsam vorgehen, um eine möglicherweise vorhandene Atemhöhle nicht zu zerstören.
Die digitale Entfernungsanzeige am LVS-Gerät kann natürlich schon einiges über die Verschüttungstiefe aussagen, wobei der Verschüttete nicht weiter entfernt sein kann als die minimale Entfernungsangabe. Sehr wohl kann er aber etwas näher liegen.
Punktsuche
Die letzte Phase der Verschüttetensuche stellt die Punksuche mittels Sonde dar.
Durch systematisches Sondieren lässt sich relativ rasch ein größerer Bereich absuchen. Begonnen wird bei der Schaufel, die den Punkt der geringsten Entfernung bzw. der höchsten Signalstärke markiert. Führt der erste Sondenstich nicht zum Erfolg, wird spiralförmig im Abstand von ca. 25 cm weitersondiert. Dabei geht man Schritt für Schritt mit der Sonde um die Schaufel herum.
Achtung: Der maximale Abstand der Sondierspirale vom Mittelpunkt (Schaufel) darf höchstens der kleinsten Distanzanzeige am LVS-Gerät entsprechen. z.B.: Am Ende der Feinsuche betrug die kleinste Distanzanzeige am Display „0,9“. Das bedeutet, dass der Verschüttete maximal ca. 1 m entfernt sein kann. Es macht also keinen Sinn, die Sondierspirale wesentlich weiter als 1 m fortzusetzen.
Treffer!
Hat man einen „Sondentreffer„, wird dieser lautstark kommuniziert und die Sonde bleibt als Orientierung für das Ausschaufeln stecken. Insgesamt gesehen hat die Sonde den Vorteil, dass sie den Sucherfolg bestätigt, man dadurch neue Motivation schöpft und Informationen über die Verschüttungstiefe bekommt (entwickelt wurde diese Form der Punktortung ebenfalls von Manuel Genswein).
Kann man im Falle von mehreren Verschütteten keinen Sondentreffer landen, weil die Verschüttungstiefe zu groß ist (> 2 m), sucht man, bevor man zu schaufeln beginnt, das nächste Opfer, in der Hoffnung, dass dieses nicht so tief verschüttet ist. Dies kann unterbleiben, wenn genügend Retter vor Ort sind.
Der Hintergrund dieser Maßnahme ist, dass eine Person für das Ausgraben eines Verschütteten aus Tiefen über 2 m so viel Zeit braucht (> 35 Minuten), dass die Überlebenschancen eines anderen, eventuell nicht so tief Verschütteten dadurch drastisch gesenkt werden.